Newsletter April 2022

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Inhalt

Arbeitsrecht

Aufhebungsvertrag: Verstoß gegen das Verbot des fairen Verhandelns?

Liegt eine unfaire Verhandlungssituation vor, kann ein Aufhebungsvertrag unwirksam sein. Ein Arbeitgeber verstößt jedoch nicht gegen das Gebot fairen Verhandelns, wenn er eine sofortige Unterzeichnung des Vertrags erwartet.

Hintergrund

Eine Arbeitnehmerin, die als Teamkoordinatorin Verkauf im Bereich Haustechnik beschäftigt war, wehrte sich gegen einen Aufhebungsvertrag. Diesen hatte sie nach einem Gespräch mit dem Geschäftsführer und einem anwesenden Anwalt für Arbeitsrecht unterzeichnet. Dazu wurde sie in das Büro des Geschäftsführers gebeten, wo ihr der vorbereitete Vertrag vorgelegt wurde. Ihr wurde vorgeworfen, dass sie unberechtigt die Einkaufspreise in der EDV des Arbeitgebers reduziert habe, um einen größeren Gewinn vorzutäuschen. Nach ungefähr 10 Minuten, in denen sie schweigend am Tisch saß, unterschrieb sie den Aufhebungsvertrag, der das einvernehmliche Ende des Arbeitsverhältnisses zum Ende November 2019 zum Inhalt hatte.

Die Arbeitnehmerin hat den Aufhebungsvertrag angefochten. Sie machte geltend, dass ihr mit der außerordentlichen Kündigung und einer Strafanzeige gedroht worden sei, für den Fall, dass sie den Aufhebungsvertrag nicht unterzeichnet. Sie habe um längere Bedenkzeit gebeten, was ihr ebenso verwehrt wurde wie sich Rechtsrat zu holen. Damit habe der Arbeitgeber aus ihrer Sicht gegen das Gebot des fairen Handelns verstoßen.

Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht hat die Entscheidung der Vorinstanz zugunsten des Arbeitgebers bestätigt. Der Aufhebungsvertrag war nicht aufgrund einer widerrechtlichen Drohung zustande gekommen. Auch wenn das Gespräch so wie die Arbeitnehmerin es geschildert hatte, stattgefunden hat, sei darin keine unberechtigte Drohung zu erkennen. Vielmehr sei der Arbeitgeber in so einem Fall berechtigt, die Kündigung auszusprechen sowie Strafanzeige zu stellen.

Die Maßstäbe zum Gebot des fairen Verhandelns wurden von der Vorinstanz richtig angewandt und ausgelegt. Dieses Gebot als “arbeitsvertragliche Nebenpflicht ist dann verletzt, wenn eine Seite eine psychische Drucksituation schafft, die dem Vertragspartner eine freie und überlegte Entscheidung über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags erheblich erschwert”.

Hier war die Entscheidungsfreiheit der Arbeitnehmerin nicht dadurch verletzt, dass der Arbeitgeber ihr den Aufhebungsvertrag zur sofortigen Annahme vorgelegt habe, sodass sie sich direkt habe entscheiden müssen. Das Gericht sei damit zutreffend zu dem Schluss gekommen, dass der Arbeitgeber nicht gegen das Gebot des fairen Verhandelns verstoßen habe.

Missverständlicher Datenschutzhinweis kann Kündigung kippen

Das betriebliche Eingliederungsmanagement stellt keine formale Voraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung dar. Lädt der Arbeitgeber jedoch zu einer solchen Maßnahme ein, sollte er die Angaben zum Datenschutz sorgfältig formulieren.

Hintergrund

Ein Produktionsfacharbeiter in einem Großbetrieb fiel seit 2016 durch kurze, aber häufige krankheitsbedingte Fehlzeiten auf. Bis einschließlich 2019 kamen 6 bis 10 Wochen in jedem Jahr zusammen, in denen der Arbeitgeber Entgelt zahlen musste, ohne dass der Mitarbeiter seine Arbeit verrichtete.

Der Arbeitgeber lud den Arbeitnehmer zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements ein, worauf dieser nicht reagierte. Daraufhin folgte die ordentliche personenbedingte Kündigung durch den Arbeitgeber. Der Arbeitnehmer wehrt sich mit seiner Klage gegen die Kündigung.

Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht gab dem Arbeitnehmer Recht.

Der Arbeitgeber, der das betriebliche Eingliederungsmanagement von vornherein sein lässt, trägt im Kündigungsschutzprozess die Darlegungs- und Beweislast, dass es objektiv nutzlos ist. Wenn auch nur ein kleiner Hoffnungsschimmer besteht, dass ein betriebliches Eingliederungsmanagement ein positives Ergebnis hätte bringen können, liegt eine “vorschnelle” Kündigung vor, die nicht zulässig ist.

Zwar war im vorliegenden Fall der Arbeitgeber willens, ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen. Jedoch wurde ihm sein Einladungsschreiben zum Verhängnis. Er hatte es in Bezug auf die Behandlung der Daten des Arbeitnehmers missverständlich gefasst.

Der Arbeitgeber darf auch im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements Diagnosen oder ähnlich sensible (Gesundheits-)Daten vom Arbeitnehmer nur erfahren, wenn dieser das ausdrücklich möchte. Es reicht, wenn er die Art der Einschränkung kennt, um den Arbeitsplatz leidensgerecht zu gestalten.

Das vorliegende Einladungsschreiben konnte aber so verstanden werden, dass Daten des Arbeitnehmers ggf. der Standortleitung bekannt gegeben würden, ohne Hinweis auf die Freiwilligkeit der Offenbarung durch den Arbeitnehmer. Wäre der Datenschutz korrekt wiedergegeben worden, hätte sich der Arbeitnehmer vielleicht auf ein betriebliches Eingliederungsmanagement eingelassen.

GmbH-Gesellschafter/-Geschäftsführer

Darlehen an GmbH: Wann ist der Abgeltungsteuersatz ausgeschlossen?

Zinsen aus Forderungen gegenüber einer GmbH & Co. KG unterliegen dem Abgeltungsteuersatz, wenn die verheirateten Gläubiger ihre Beteiligungen an der KG und an der Komplementär-GmbH auf eine von ihnen errichtete Familienstiftung übertragen haben. Ein Näheverhältnis des Gläubigers der Kapitalerträge zu einer Personengesellschaft ist nur zu bejahen, wenn der Gläubiger aufgrund seiner beherrschenden Stellung in der Stiftung mittelbar in der Lage ist, seinen Willen in der Gesellschafterversammlung der Personengesellschaft durchzusetzen.

Hintergrund

Die Eheleute waren zunächst je hälftig an der N-GmbH & Co. KG (N-KG) sowie an der N-GmbH (Komplementärin) beteiligt. Im Jahr 2014 übertrugen sie ihre Anteile (KG und GmbH) auf eine von ihnen errichtete Familienstiftung. Deren Zweck war es, dem Wohle der Stifterfamilie zu dienen.

Vorstand der Stiftung waren die Eheleute mit einer von ihnen benannten Person. Vertretungsberechtigt war der Vorsitzende bzw. sein Stellvertreter, jeweils gemeinsam mit einem weiteren Mitglied. Solange einer der Stifter Mitglied des Vorstands war, konnte er die Stiftung allein vertreten. Die Gesellschafterrechte der Stiftung wurden vom Vorstandsvorsitzenden bzw. seinem Stellvertreter wahrgenommen.

Die Eheleute hatten der N-KG Darlehen gewährt, die in den Jahren 2014 und 2015 mit 6 % und im Jahr 2016 mit 3 % über dem Basiszinssatz verzinst wurden. Die Darlehen wurden nach der Übertragung der Kommanditanteile auf die Stiftung von der KG weitergeführt.

Das Finanzamt unterwarf die Zinseinkünfte der Eheleute dem tariflichen Einkommensteuer-Satz.

Das Finanzgericht gab dem Antrag auf Anwendung des Abgeltungsteuersatzes statt. Denn keiner der Ehegatten stand in einem Näheverhältnis zu der KG, da er für sich nicht die Mehrheit im Stiftungsvorstand hatte.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof wies die Revision des Finanzamts zurück. Die Eheleute konnten mittelbar über die Stiftung keinen beherrschenden Einfluss ausüben.

Die Eheleute waren außerdem an einer weiteren KG (X-KG) im gleichen Verhältnis beteiligt. Diese KG hatte der N-KG ein Grundstück überlassen. Damit stellte sich die Frage der mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung und der möglichen Folge der Zurechnung der Forderungen zum Sonderbetriebsvermögen der X-KG und der Zinsen zu den gewerblichen Einkünften. Im Streitfall lagen allerdings die Zuordnungsvoraussetzungen nicht vor. Im Übrigen wurden die Darlehen zu fremdüblichen Bedingungen vereinbart. Damit fehlen regelmäßig die betrieblichen Interessen der Besitzpersonengesellschaft.

Der Abgeltungsteuersatz gilt nicht, wenn Gläubiger und Schuldner einander nahestehende Personen im Sinne eines Beherrschungsverhältnisses sind. Das ist der Fall, wenn der beherrschten Person aufgrund eines absoluten Abhängigkeitsverhältnisses für den Abschluss des Darlehens im Wesentlichen kein eigener Entscheidungsspielraum verbleibt. Ein lediglich aus der Familienangehörigkeit abgeleitetes, persönliches Näheverhältnis genügt nicht.

Bei einer Personengesellschaft kann ein Gesellschafter einen beherrschenden Einfluss grundsätzlich nur dann ausüben, wenn er aufgrund der Stimmrechtsverhältnisse seine Mitgesellschafter überstimmen kann. Das scheidet hier schon deshalb aus, weil die Eheleute im Zuflusszeitpunkt nicht mehr an der N-KG beteiligt waren. Die Beherrschung kann auch mittelbar über eine Beteiligungsgesellschaft ausgeübt werden. Nur in Ausnahmefällen kann ein Gesellschafter – trotz fehlender Stimmenmehrheit – die Gesellschaft faktisch beherrschen.

Zwar hatte die Stiftung als alleinige Kommanditistin einen beherrschenden Einfluss in der N-KG. Jedoch waren weder der Ehemann noch die Ehefrau jeweils für sich in der Lage, die Einflussmöglichkeiten, die der Stiftung auf Ebene der N-KG zustanden, mittelbar zu beherrschen. Denn aufgrund der Besetzung des Stiftungsvorstands mit 3 Mitgliedern konnten weder der Ehemann noch die Ehefrau Mehrheitsbeschlüsse des Vorstands ohne die Mitwirkung eines anderen Vorstandsmitglieds herbeiführen.

Die Eheleute waren jeweils einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer der N-GmbH (Komplementärin der N-KG). Auch das führt nicht zur Beherrschung der N-KG durch sie. Denn das Beherrschungsverhältnis muss so beschaffen sein, dass der beherrschten Person aufgrund eines absoluten Abhängigkeitsverhältnisses kein eigener Entscheidungsspielraum verbleibt. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Denn die N-GmbH war nicht zur Entscheidung über die Inanspruchnahme eines Darlehens durch die N-KG befugt. Dazu war die vorherige Zustimmung der Gesellschafter der N-KG erforderlich. Damit konnten die Eheleute nicht allein aufgrund ihrer Stellung als einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer der N-GmbH die N-KG dazu veranlassen, ihnen gegenüber eine Darlehensverbindlichkeit einzugehen.

Die DSGVO und die Außenhaftung des GmbH-Geschäftsführers

Nicht nur die GmbH, auch der Geschäftsführer kann Verantwortlicher gem. der DSGVO sein. Damit besteht ein weiterer Anknüpfungstatbestand für die Außenhaftung des Geschäftsführers.

Hintergrund

Der Kläger strebte die “Mitgliedschaft” bei einer GmbH an. Vor dem Hintergrund dieser Mitgliedschaftsanfrage ließ der Geschäftsführer im Namen der GmbH die Beteiligung des Klägers an strafrechtlich relevanten Handlungen prüfen. Als sich diese bestätigte, wurde die Mitgliedschaftsanfrage des Klägers abgelehnt.

Daraufhin verklagte der Kläger sowohl die GmbH als auch den Geschäftsführer persönlich auf immateriellen Schadensersatz wegen Datenschutzverstößen. Erstinstanzlich wurden die Beklagten als Gesamtschuldner auf Zahlung von Schadensersatz wegen Verletzung der Rechte des Klägers aus der DSGVO verurteilt.

Entscheidung

Die Berufung des Klägers mit dem Ziel, eine höhere Schadensersatzsumme zu erlangen, hatte keinen Erfolg.

Ein jeweils selbstständiger Verstoß gegen die Vorschriften der DSGVO durch die GmbH und den Geschäftsführer stand rechtskräftig fest. Denn die mit Blick auf das Ausspähen des Klägers vorgenommene Verarbeitung der Daten des Klägers sei mangels einer Einwilligung des Klägers rechtswidrig. Solch ein Verstoß könne zudem weder gem. Art. 6 DSGVO gerechtfertigt werden noch handele es sich hier um einen Bagatellverstoß.

Beide Beklagten seien hierfür verantwortlich. Denn maßgeblich für einen Anspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO sei die datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit, die dann zu bejahen ist, wenn eine natürliche oder juristische Person alleine oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und die Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheiden kann und entscheidet. Vor diesem Hintergrund entfalle regelmäßig die Verantwortlichkeit weisungsgebundener Angestellter oder sonstiger Beschäftigter, die eines GmbH-Geschäftsführers allerdings nicht.

GmbH: Einstweiliger Rechtsschutz im Wege der actio pro socio

In Fällen des einstweiligen Rechtsschutzes ist eine Klage im Wege der sog. actio pro socio nur dann zulässig, wenn vorher kein Gesellschafterbeschluss gefasst werden kann. Andere Rechtsbehelfe gehen grundsätzlich vor.

Hintergrund

Der Kläger war Mehrheitsgesellschafter einer GmbH. Der Geschäftsführer dieser GmbH (“Gesellschaft”) übertrug mehrere Teil- und Wohnungseigentumsrechte der Gesellschaft an einem Grundstück auf eine andere, von dem Geschäftsführer als Alleingesellschafter gegründete GmbH. Ein diese Veräußerung legitimierender Beschluss der Gesellschafter der Gesellschaft lag nicht vor. Ein von dem Mehrheitsgesellschafter daraufhin gestellter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Anordnung eines vorläufigen Tätigkeitsverbots des Geschäftsführers wurde vom Landgericht zunächst erlassen. Auf Widerspruch des Geschäftsführers wurde die einstweilige Verfügung vom Landgericht aus formellen Gründen aufgehoben.

Im Anschluss daran beantragte der Mehrheitsgesellschafter erneut den Erlass einer auf ein vorläufiges Tätigkeitsverbot gerichteten einstweiligen Verfügung gegen den Geschäftsführer, die antragsgemäß erlassen wurde. Die erforderliche Dringlichkeit der Anträge begründete der Mehrheitsgesellschafter jeweils insbesondere damit, dass für die Abberufung des Geschäftsführers nach der Satzung ein einstimmiger Gesellschafterbeschluss Voraussetzung war. Vor dem Hintergrund der freundschaftlichen Beziehung zwischen einem anderen Gesellschafter der Gesellschaft und dem Geschäftsführer war ein einstimmiger Gesellschafterbeschluss allerdings höchstwahrscheinlich nicht zu erzielen.

Entscheidung

Nach erfolglosem Widerspruch hatte die Berufung des Geschäftsführers Erfolg. Denn es liegen weder der erforderliche Verfügungsanspruch noch Verfügungsgrund für den Antrag des Mehrheitsgesellschafters auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vor.

Zwar ist der einstweilige Rechtsschutz im Gesellschaftsrecht als angemessenes Mittel anerkannt. Dem Mehrheitsgesellschafter fehlte es für den Verfügungsanspruch jedoch an der sog. Aktivlegitimation, also dem Recht, die Klage selbst zu erheben. Diese Ansprüche stehen dem Mehrheitsgesellschafter weder aus eigenem Recht zu noch war er vorliegend befugt, die Ansprüche für die Gesellschaft im Wege der Gesellschafterklage (sog. actio pro socio) geltend zu machen.

Insbesondere hinsichtlich der actio pro socio lässt das Gericht zwar offen, ob ein Gesellschafter überhaupt zur Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft gegen einen (Fremd-)Ge-schäftsführer im Wege der actio pro socio berechtigt ist. Denn selbst wenn ein solches Vorgehen grundsätzlich als zulässig erachtet würde, hält das Gericht die actio pro socio nur in besonderen Konstellationen für anwendbar, in denen die Gesellschaft sich in einer kritischen Situation als handlungsunfähig oder handlungsunwillig darstellt. Im vorliegenden Fall hätte der Mehrheitsgesellschafter jedoch bereits nach dem Erlass der ersten einstweiligen Verfügung eine Gesellschafterversammlung einberufen können. Allein das Argument, dass ein einstimmiger Beschluss hier höchstwahrscheinlich nicht zustande kommt, überzeugte das Gericht nicht. Denn selbst in solch einem Fall steht noch die Beschlussanfechtungsklage als Mittel zur Verfügung.

GmbH: Ist die rückwirkende Änderung des Geschäftsjahres zulässig?

Die Änderung des Geschäftsjahres einer GmbH kann nicht rückwirkend erfolgen, sondern muss vor Beginn des neuen und Ablauf des entstandenen Rumpfgeschäftsjahres zum Handelsregister angemeldet werden.

Hintergrund

Eine GmbH hatte in ihrer Satzung das Kalenderjahr als Geschäftsjahr festgelegt. Mit Beschluss der Gesellschafter aus August 2020 sollte das Geschäftsjahr auf den Zeitraum vom 1.10.-30.9. geändert werden. Der Geschäftsführer meldete die Änderung im Januar des darauffolgenden Jahres 2021 zum Handelsregister an. Das Registergericht wies dies zurück, da die Dauer des Rumpfgeschäftsjahres unklar und zudem eine rückwirkende Änderung des Geschäftsjahres unzulässig war.

Entscheidung

Die Beschwerde der Gesellschaft war erfolgreich. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts lag weder eine unzulässige Rückwirkung vor noch bestanden hinsichtlich des Rumpfgeschäftsjahres Unklarheiten. Es war ausreichend, dass die Änderung während des neuen Rumpfgeschäftsjahres (bis 30.9) und vor Beginn des neuen Geschäftsjahres, d.h. vor dem 1.10.2021 erfolgte. Da aus dem Handelsregister das Datum der Eintragung und damit der Wirksamkeit der Änderung zu entnehmen war, wurde der Rechtsverkehr auch hinreichend geschützt.

Unternehmergesellschaft: Was gilt bezüglich der persönlichen Rechtsscheinhaftung des Vertreters?

Wenn eine Unternehmergesellschaft im Außenverhältnis ohne Angabe der Rechtsform und des Zusatzes der Haftungsbeschränkung auftritt, haftet der handelnde Vertreter persönlich.

Hintergrund

Der Beklagte war zuerst Prokurist und später alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der V. UG. Die V. UG ist im Bereich Anlageberatung und Finanzvermittlung tätig. Der Kläger investierte nach mehreren Beratungsgesprächen, die der Beklagte für die V. UG führte, in eine hochriskante Anlage. Bei der Beratung trat der Beklagte zwar für die V. UG auf. Allerdings fehlte dabei der gesetzlich vorgeschriebene Zusatz “haftungsbeschränkt” und auch den Zusatz “UG” führte der Beklagte nur zum Teil. Der Kläger macht Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung gegenüber dem Beklagten persönlich geltend.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof gab dem Kläger Recht und entschied, dass eine Haftung des Beklagten aufgrund sog. Rechtsscheinhaftung in Betracht komme. Denn tritt ein Vertreter einer UG im Geschäftsverkehr ohne den Zusatz “haftungsbeschränkt” auf, erwecke er bei einem Vertragspartner den Anschein, dass zumindest eine natürliche Person unbeschränkt und somit auch mit ihrem Privatvermögen hafte. Dies gelte vor allem bei der Rechtsform der Unternehmergesellschaft. Denn diese beinhaltet ohne den Zusatz gerade keinen Hinweis auf die beschränkte Haftung. Daher sei die gesetzliche Vorgabe exakt und buchstabengetreu einzuhalten.

Unternehmer- und Unternehmensidentität: Was gilt für einen gewerbesteuerlichen Verlustübergang?

Die Einbringung des Gewerbebetriebs einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft führt nicht zu einem vollständigen Unternehmerwechsel. Zwar sind Personengesellschaften selbst Gewerbesteuerschuldner, als Unternehmer sind aber ihre Gesellschafter anzusehen.

Hintergrund

Die Klägerin ist eine GmbH, die ein Bauunternehmen betreibt. Gesellschafter waren Frau H. X. zu 26 % und Herr G. X., der auch Geschäftsführer war, zu 74 %. Im Jahr 2009 beteiligten sich Frau und Herr X. jeweils als atypisch stille Gesellschafter an der GmbH. Für die GmbH wurde auf den 31.12.2009 ein vortragsfähiger Gewerbeverlust festgestellt.

Das Finanzamt ging von einer Mitunternehmerschaft aus. Der bei der GmbH zum 31.12.2009 bestehende vortragsfähige Gewerbeverlust konnte deshalb nicht berücksichtigt werden, da er nicht auf die Mitunternehmerschaft übergegangen war. Der Gewerbeverlust konnte lediglich auf der Ebene der GmbH weiter vorgetragen und ggf. mit deren zukünftigen Gewinnen verrechnet werden. Die Klägerin war der Ansicht, dass eine Unternehmeridentität gegeben war.

Entscheidung

Die Klage vor dem Finanzgericht hatte Erfolg. Voraussetzung für einen Verlustabzug ist, dass der Gewerbetreibende den Verlust in eigener Person erlitten hat (Unternehmeridentität). Dies ist hier gegeben. Die Einbringung des Betriebs einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft bzw. atypisch stille Gesellschaft stellt keinen Unternehmerwechsel dar.

Dies liegt daran, dass Unternehmer des Betriebs einer Personengesellschaft die Mitunternehmer der Personengesellschaft sind. Da die Identität einer Person entscheidend ist, um einen Unternehmerwechsel im Ganzen auszuschließen, kommt es auch nicht darauf an, ob diese Person den Gewerbebetrieb allein oder zusammen mit neuen Unternehmern weiterbetreibt.

Darüber hinaus liegt hier die erforderliche Unternehmensidentität vor, d. h. das Unternehmen der Mitunternehmerschaft ist hier für Zwecke des gewerbesteuerlichen Verlustvortrags identisch mit dem Unternehmen der GmbH.

Kapitalanlage & Versicherung

Cum-Ex-Geschäfte: Kein Übergang des wirtschaftlichen Eigentums

Ein steuerbefreiter Pensionsfonds hat nur dann einen Anspruch auf Erstattung von Kapitalertragsteuer, wenn er Gläubiger der Kapitalerträge ist und die Abzugsteuer “einbehalten und abgeführt” wurde.

Hintergrund

Der nach dem DBA-USA von der inländischen Abzugsteuer befreite Pensionsfonds P beantragte im Jahr 2011 die Erstattung von Kapitalertragsteuer mit der Begründung, er habe kurz vor dem Dividendenstichtag Aktien deutscher Aktiengesellschaften als sog. Futures “cum Dividende” erworben, die ihm zeitverzögert erst nach dem Stichtag “ex Dividende” übereignet wurden. Zugleich erhielt er eine Dividendenkompensationszahlung, die sich rechnerisch als Dividendenanspruch nach Abzug der bei einer Ausschüttung anfallenden Abzugsteuer darstellte. P war dabei Teil eines mit mehreren Beteiligten eng aufeinander abgestimmten Gesamtkonzepts zum kurzfristigen Kauf und Verkauf von Aktien im Umfang von mehreren Mrd. EUR.

P machte geltend, ihm stehe der Erstattungsanspruch zu, da er vor dem Dividendenstichtag wirtschaftliches Eigentum erworben habe. Der Erstattungsanspruch ergebe sich aus dem Einbehalt der Abzugsteuer.

Das Finanzamt und ihm folgend das Finanzgericht lehnten den Antrag ab. P sei im Zeitpunkt der Gewinnverteilungsbeschlüsse nicht wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien gewesen. Es seien für ihn auch keine Abzugsteuern einbehalten und abgeführt worden.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof bestätigte die Auffassung des Finanzgerichts und wies die Revision als unbegründet zurück. P war nicht wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien und damit nicht Gläubiger der Kapitalerträge. Außerdem setzt ein Erstattungsanspruch voraus, dass Abzugsteuer einbehalten und abgeführt wurde.

Der Anspruch steht dem Dividendengläubiger zu, also des Anteilseigners, dem die Anteile zuzurechnen sind. Die Future-Kontrakte, gerichtet auf die Lieferung von Aktien vor dem Dividendenstichtag, konnten dem P kein zivilrechtliches Eigentum an den Aktien zum Dividendenstichtag verschaffen, da die Aktien mit dem schuldrechtlichen Vertrag noch nicht seinem Depotkonto zugeschrieben waren.

Eine Zuordnung zum wirtschaftlichen Eigentümer setzt voraus, dass nach dem Gesamtbild der Verhältnisse ein anderer als der zivilrechtliche Eigentümer die tatsächliche Herrschaft ausübt und den nach bürgerlichem Recht Berechtigten von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut in der Weise ausschließen kann, dass der Herausgabeanspruch des zivilrechtlichen Eigentümers keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hat.

Entscheidend ist die wirtschaftliche Dispositionsbefugnis, da sie die Herrschaft über die Leistungsbeziehung als Grundlage der Einkunftserzielung ermöglicht. Bei Aktiengeschäften erlangt der Erwerber daher wirtschaftliches Eigentum grundsätzlich erst ab dem Zeitpunkt, von dem an er nach dem Willen der Vertragspartner über die Wertpapiere verfügen bzw. die damit verbundenen Rechte (Stimmrecht, Dividendenbezug) ausüben kann. Dabei kommt es bei einem auf einer einheitlichen Planung mehrerer Beteiligter beruhenden Gesamtvertragskonzept nicht auf die Teilkomponenten an. Die einzelnen Verträge sind zusammenfassend zu betrachten.

Das wirtschaftliche Eigentum wird maßgebend von den schuldrechtlichen Befugnissen geprägt. Eine Zuordnungsentscheidung kann nur zwischen dem rechtlichen und dem wirtschaftlichen Eigentümer getroffen werden. Die Zurechnungsentscheidung für eines der beiden Rechtssubjekte schließt eine zeitpunktbezogen abweichende Zurechnungsentscheidung zu dem anderen Rechtssubjekt aus, wie ebenfalls eine zeitpunktbezogen parallele Zuordnung des wirtschaftlichen Eigentums an verschiedenen Rechtssubjekten. Ein mehrfaches wirtschaftliches Eigentum an derselben Aktie ist damit ausgeschlossen.

Der Streitfall ist dadurch gekennzeichnet, dass P aufgrund der Vereinbarungen von einer tatsächlichen Herrschaft über die Aktien sowohl im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zum Erwerb als auch für einen späteren Zeitpunkt ausgeschlossen war. Denn er wurde aufgrund einer modellhaften Gestaltung konzeptionell von einem Einfluss auf die Wertpapiergeschäfte ferngehalten und sollte auch nicht direkt an dem Geschäftserfolg beteiligt sein, sondern im Ergebnis nur für seine gestaltungsermöglichende Existenz als Rechtsperson entgolten werden.

Ein Erstattungsanspruch für einbehaltene und abgeführte Steuer kann nicht bereits mit einer von der Depotbank des Erwerbers ausgestellten Bank-Bescheinigung begründet werden, die neben der “Nettodividende” auch Kapitalertragsteuer-Beträge ausweist. Denn diese Bescheinigung kann angesichts des Erwerbs nicht auf die Abzugsteuer des ausschüttenden Emittenten bezogen werden. Bei der Geschäftsabwicklung ist es auch nicht zu einer Einbehaltung von Kapitalertragsteuer gekommen. Die Bescheinigung beweist nicht die “tatsächliche” Einbehaltung und Abführung der Kapitalertragsteuer durch die bescheinigende Stelle im Zusammenhang mit der bei ihr zugeflossenen Dividendenkompensationszahlung.

Eine “einbehaltene und abgeführte Steuer” wird auch nicht durch den Umstand der Auszahlung einer “Netto-Dividende” bewiesen.

Land- und Forstwirtschaft

Zur gemeinüblichen Bewirtschaftung und Schätzung des Kulturbodens

Wird landwirtschaftlicher Kulturboden geschätzt, richtet sich diese Schätzung nach der gemeinüblichen Bewirtschaftung, die der natürlichen Ertragsfähigkeit entspricht. Hat sich die Nutzungsart nachhaltig geändert, ist eine Nachschätzung durchzuführen.

Hintergrund

A erwarb im Jahr 2013 u.a. 3 landwirtschaftlich genutzte Flurstücke. Der Schätzungsausschuss des für die Bodenschätzung zuständigen Finanzamts hatte 1938 diese Flurstücke als Acker-Grünland (Wechselland) eingestuft. Sie waren damals als Ackerland genutzt worden. Seit Anfang der 70er Jahre wurden sie nur noch als Grünland genutzt. Eine Verschlechterung der natürlichen Ertragsbedingungen war seit der Bodenschätzung nicht eingetreten.

Im Rahmen eines Verfahrens zur Nachfeststellung des Einheitswerts erklärte A, dass die Nutzungsart Ackerflächen nicht mehr den tatsächlichen Verhältnissen entsprach. Es handelte sich um Grünlandflächen. Das Finanzamt lehnte eine Nachschätzung ab und stellte im Jahr 2016 fest, dass das Schätzungsergebnis aus 1938 nicht geändert wird.

Das Finanzgericht wies die Klage ab. Es ging davon aus, dass die aufgrund der natürlichen Ertragsbedingungen mögliche Ackernutzung entscheidend war. Danach handelte es sich unverändert um Ackerland. Die Flurstücke waren – unabhängig von der tatsächlichen Bewirtschaftung – nach wie vor ackerfähig. Wegen der langjährigen Grünlandnutzung lag kein Wechselland mehr vor.

Entscheidung

Ob die Bodenschätzung im Ergebnis zutreffend ist, hängt von der der natürlichen Ertragsfähigkeit entsprechenden gemeinüblichen Bewirtschaftung ab. Dazu hat das Finanzgericht bislang keine Feststellungen getroffen.

Eine Nachschätzung ist u.a. durchzuführen, wenn sich die Nutzungsart nachhaltig geändert hat. Bei der Feststellung der Nutzungsarten (Ackerland oder Grünland) ist von einer der natürlichen Ertragsfähigkeit entsprechenden gemeinüblichen Bewirtschaftung auszugehen. Zentraler Begriff für die Feststellung der Nutzungsart ist danach die gemeinübliche Bewirtschaftung, die ihrerseits der natürlichen Ertragsfähigkeit entsprechen muss. Die tatsächliche Nutzung ist nicht entscheidend. Dieser Maßstab gilt auch für das Wechselland. Bei einem regelmäßigen Wechsel verschiedener Nutzungsarten (Wechselland) ist die vorherrschende Nutzungsart anzunehmen.

Eine Bewirtschaftung, die zwar allgemein üblich ist, aber der natürlichen Ertragsfähigkeit nicht entspricht, ist damit keine gemeinübliche Bewirtschaftung. Sie kann der Feststellung der Nutzungsart nicht zugrunde gelegt werden. Die natürliche Ertragsfähigkeit knüpft an die natürlichen Ertragsbedingungen an. Das bedeutet, dass eine Bewirtschaftung, die nicht den natürlichen Ertragsbedingungen entspricht, für die Nutzungsart nicht maßgebend ist. Die natürlichen Ertragsbedingungen bilden so über die natürliche Ertragsfähigkeit einen Rahmen, der nicht verlassen werden darf.

Bei gleicher natürlicher Ertragsfähigkeit können jedoch unterschiedliche gemeinübliche Bewirtschaftungsformen bestehen. Wenn sowohl die Ackernutzung als auch die Grünlandnutzung der natürlichen Ertragsfähigkeit entspricht, ist für die Nutzungsart entscheidend, welche Bewirtschaftungsform gemeinüblich ist. Gemeinüblich ist die in der jeweiligen Gegend für die durch dieselbe Ertragsfähigkeit charakterisierten Flächen allgemein übliche Nutzung, soweit sie der Ertragsfähigkeit entspricht.

Eine Bewirtschaftungsform, die nicht gemeinüblich ist, scheidet demnach für die Bestimmung der Nutzungsart auch dann aus, wenn sie tatsächlich praktiziert wird.

Hiervon abweichend hat das Finanzgericht auf die natürliche Ertragsfähigkeit der Böden abgestellt und in Ausnahmefällen bei regelmäßigem Wechsel verschiedener Nutzungsarten (Wechselland) die vorherrschende (tatsächliche) Nutzung als ausschlaggebend angesehen. Der Bundesfinanzhof verwies die Sache an das Finanzgericht zurück. Das Finanzgericht hat den Sachverhalt weiter aufzuklären, um festzustellen, ob der Fortbestand der Bodenschätzung als Acker-Grünland gerechtfertigt ist.

Steuerrecht Privatvermögen

Antrag auf Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen als rückwirkendes Ereignis

Wird im Rahmen des Realsplittings der Antrag auf Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen durch den Geber samt Einreichung der Zustimmungserklärung des Empfängers gestellt, liegt darin bereits das rückwirkende Ereignis, das zur Änderung der Einkommensteuerfestsetzung des Empfängers der Unterhaltsleistung führt.

Hintergrund

Anlässlich der Scheidung im Jahr 2007 hatte sich E verpflichtet, an F einen Abgeltungsbetrag (10.000 EUR) zu zahlen. F wurde im Jahr 2008 bestandskräftig veranlagt. Empfangene Unterhaltsleistungen hatte sie nicht angegeben.

E reichte im Jahr 2010 die Anlage U zur Einkommensteuer-Erklärung ein, die die Zustimmung der F zum Antrag auf Abzug von Unterhaltsleistungen als Sonderausgaben enthielt. Da zunächst strittig war, ob der Abgeltungsbetrag bei ihm als Sonderausgaben zu berücksichtigen war, erkannte das Finanzamt die Zahlung erst im Jahr 2015 bei E als abziehbare Unterhaltsleistung an.

Anschließend erhöhte das Finanzamt die Einkommensteuer 2015 und berücksichtigte die Zahlung als steuerpflichtige Unterhaltsleistung. F wandte Festsetzungsverjährung ein. Nicht erst die Anerkennung des Sonderausgabenabzugs bei E im Jahr 2015, sondern bereits dessen Antrag, die Unterhaltsleistungen bei E abzuziehen, war das rückwirkende Ereignis. Damit war der Änderungsbescheid außerhalb der Festsetzungsfrist ergangen. Das Finanzgericht folgte dem nicht und wies die Klage ab.

Entscheidung

Die Revision hatte Erfolg. Der Bundesfinanzhof widerspricht dem Finanzgericht. Bereits der Eingang der Anlage U zur Einkommensteuer-Erklärung des E im Jahr 2010 nebst Zustimmungserklärung der F hat steuerliche Rückwirkung für 2007. Der gegenüber F ergangene Änderungsbescheid wurde aufgehoben.

Eine Rückwirkung liegt vor, wenn der geänderte Sachverhalt anstelle des zuvor verwirklichten Sachverhalts der Besteuerung zugrunde zu legen ist. Das entscheidet sich nach dem im Einzelfall anzuwendenden materiellen Steuergesetz. Steuerlich rückwirkend für den Ansatz von Unterhaltsleistungen als sonstige Einkünfte ist die Einreichung der Anlage U nebst Zustimmungserklärung des Empfängers beim Finanzamt des Gebers. Schon der Antrag des Gebers und die Zustimmung des Empfängers sind rechtsgestaltend. Sie überführen die Unterhaltsleistungen in den steuerrechtlich relevanten Bereich und ändern so ihren Rechtscharakter. Die Unterhaltsleistungen werden durch den Antrag zu Sonderausgaben.

Damit hat der Antrag eine Doppelfunktion: Er ist nicht nur Verfahrensvoraussetzung für die steuerliche Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen, sondern gleichzeitig materiell-rechtliche Voraussetzung für die Abzugsmöglichkeit dem Grunde nach. Die Steuerpflicht dieser Leistungen beim Empfänger hängt somit nicht davon ab, ob und inwieweit der Sonderausgabenabzug beim Geber tatsächlich zu einer Steuerminderung geführt hat. Bereits mit der Einreichung der Einkommensteuer-Erklärung des E samt Anlage U und Zustimmung der F im Jahr 2010 ist das Ereignis eingetreten, das zur Steuerbarkeit der Unterhaltsleistungen bei F als Unterhaltsberechtigte führte.

Die 4-jährige reguläre Festsetzungsfrist endete bereits mit Ablauf des Jahres 2012, da F ihre Einkommensteuer-Erklärung im Jahr 2008 abgegeben hatte. Die 4-jährige Festsetzungsfrist begann aufgrund des im Jahr 2010 eingetretenen rückwirkenden Ereignisses mit Ablauf des Jahres 2010 zu laufen und endete damit mit Ablauf des Jahres 2014. Der erst im Jahr 2015 erlassene Änderungsbescheid der F ist infolgedessen außerhalb dieser Festsetzungsfrist ergangen.

Behindertes Kind: Fähigkeit zum Selbstunterhalt muss individuell geprüft werden

Ob ein volljähriges Kind aufgrund seiner Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, entscheidet sich nach einem Vergleich des gesamten existenziellen Lebensbedarfs des Kindes einerseits und seiner finanziellen Mittel andererseits. Nimmt der Sozialleistungsträger den Kindergeldberechtigten auf Zahlung eines Unterhaltsbeitrags für das Kind in Anspruch, kann daraus nicht abgeleitet werden, dass dieses zum Selbstunterhalt außerstande ist.

Hintergrund

M ist die Mutter ihres volljährigen schwerbehinderten Kindes K (Grad der Behinderung 70, Merkzeichen “G”). K wohnt in einer stationären Einrichtung. Die Kosten hierfür (Lebensunterhalt und fachliche Hilfe) werden von einem Landschaftsverband L im Rahmen der Eingliederungshilfe übernommen. K ist bei der Gemeinde in Vollzeit beschäftigt. Der L beteiligte K an den Kosten für seine Unterbringung und Betreuung in der Einrichtung.

Den Antrag der M auf Festsetzung von Kindergeld für Januar 2016 lehnte die Familienkasse ab. M wandte ein, dass sie ab Januar 2016 vom Sozialleistungsträger L auf Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags von 28,38 EUR in Anspruch genommen wird. Daraus ergibt sich die Bedürftigkeit des K.

Das Finanzgericht wies die Klage ab. Es entschied, dass die K zur Verfügung stehenden Mittel den Grundbedarf und den behinderungsbedingten Mehrbedarf abdeckten. Die Heranziehung der M zu einem Unterhaltsbeitrag indiziert nicht die Unfähigkeit des Kindes zum Selbstunterhalt.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof wies die Revision zurück und entschied, dass M für K für Januar 2016 kein Kindergeld zustand. K verfügte über ausreichende Mittel, um seinen Grundbedarf und seinem behinderungsbedingten Mehrbedarf zu decken.

Die Fähigkeit zum Selbstunterhalt ist anhand eines Vergleichs des gesamten existenziellen Lebensbedarfs des Kindes einerseits und seiner finanziellen Mittel andererseits zu ermitteln. Diese Betrachtung ist grundsätzlich monatsbezogen vorzunehmen. Ergibt sich daraus eine ausreichende Leistungsfähigkeit des Kindes, kann davon ausgegangen werden, dass den Eltern kein zusätzlicher Aufwand erwächst.

Der Lebensbedarf eines behinderten Kindes setzt sich aus dem Grundbedarf und dem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf zusammen. Der Mehrbedarf umfasst Aufwendungen, die gesunde Kinder nicht haben.

Zu den finanziellen Mitteln des behinderten volljährigen Kindes gehören seine Einkünfte und Bezüge. Sozialleistungen zur Deckung des Grundbedarfs oder Mehrbedarfs sind zu berücksichtigen, soweit das Kind nicht vom Sozialleistungsträger zu einem Kostenbeitrag herangezogen wird. Die Einkünfte sind um den anteiligen Werbungskostenpauschbetrag, die Bezüge um eine monatliche Kostenpauschale von 15 EUR zu kürzen.

Aus der Inanspruchnahme des Kindergeldberechtigten auf Zahlung eines Unterhaltsbeitrags für das volljährige Kind durch den die Eingliederungshilfeleistungen erbringenden Sozialleistungsträger folgt nicht, dass ohne weitere Prüfung anzunehmen ist, dass das Kind zum Selbstunterhalt außerstande ist. Denn die durch den Sozialhilfeträger gegenüber dem Unterhaltsverpflichteten geltend gemachten Ansprüche beruhen auf den bürgerlich-rechtlichen Unterhaltspflichten. Für diese gelten anderen Maßstäbe als für den steuerlichen Familienleistungsausgleich. Das Bestehen einer zivilrechtlichen Unterhaltspflicht ist damit kein Tatbestandsmerkmal des Kindergeldanspruchs.

Ob das behinderte Kind über Einkünfte und Bezüge verfügt, die seinen Grundbedarf und individuellen Mehrbedarf decken, lässt sich zutreffend nur ermitteln, wenn der Bedarf und die verfügbaren finanziellen Mittel des Kindes bei der Vergleichsrechnung im Einzelnen betrachtet werden. Dadurch wird die tatsächliche finanzielle Leistungsfähigkeit des Kindes bestimmt. Für den Streitfall ergibt sich nach dem Vergleich, dass die Mittel den Bedarf übersteigen.

Handwerkerleistungen: Keine Steuerermäßigung für statische Berechnungen

Die Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen kann nicht für die Leistung eines Statikers in Anspruch genommen werden. Das gilt auch dann, wenn sie für die Durchführung einer Handwerkerleistung erforderlich war.

Hintergrund

Die Eheleute bewohnen ein ihnen je hälftig gehörendes Einfamilienhaus. Das Dach musste ausgebessert werden. Schadhafte Holzpfosten sollten durch Stahlstützen ersetzt werden. Die beauftragte Firma K hielt eine statische Berechnung vor Ausführung der Arbeiten für erforderlich. Die Berechnung wurde von der Firma M durchgeführt.

M stellte den Eheleuten für die Berechnung 535 EUR in Rechnung. Das Finanzamt lehnte den Abzug dieser Aufwendungen als Handwerkerleistungen ab.

Das Finanzgericht gab der Klage statt. Bei der engen sachlichen Verzahnung der Arbeiten handelt es sich bei der Berechnung um einen Teil einer einheitlichen Handwerkerleistung. Es war daher unerheblich, dass K die Berechnung nicht selbst ausgeführt hat, sondern M im Auftrag der Eheleute.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und wies die Klage ab.

Ein Statiker ist nicht handwerklich tätig. Denn er erbringt lediglich Leistungen im Bereich der Planung und rechnerischen Überprüfung von Bauwerken sowie der Beurteilung der baulichen Gesamtsituation.

Der Austausch der schadhaften Pfosten stellt unstreitig eine Handwerkerleistung dar. Der Umstand, dass für diese Leistung eine weitere Leistung, die vorherige statische Beurteilung durch M, erforderlich war, führt nicht dazu, die Statikerleistung als anteilige Handwerkerleistung zu charakterisieren. Die beiden Leistungen sind jeweils getrennt zu betrachten und hinsichtlich ihrer Eigenschaft als Handwerkerleistungen zu beurteilen.

Eine von einem Unternehmer erbrachte Handwerkerleistung, die teilweise in der Werkstatt des Handwerkers erbracht wird, ist nur insoweit begünstigt, als die Leistung tatsächlich einen unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit dem Haushalt aufweist. Ist eine von einem Unternehmer erbrachte Leistung dementsprechend aufzuteilen, sind erst recht 2 getrennte und von unterschiedlichen Unternehmern erbrachte Leistungen jeweils für sich daraufhin zu überprüfen, ob die Voraussetzungen der Steuerermäßigung vorliegen.

M unterhält weder einen Handwerksbetrieb noch liegt eine handwerkliche Leistung des M vor. Seine statischen Berechnungen sind keine handwerkliche Tätigkeit. Allein der Zusammenhang mit der Handwerkerleistung des K reicht nicht aus, die statischen Berechnungen des M als Handwerkerleistung einzustufen.

Kindergeld: Antrag kann auch per E-Mail gestellt werden

Auch ein Kindergeldantrag mittels E-Mail kann wirksam sein. Das gilt zumindest dann, wenn er ausreichende Angaben enthält, um der Familienkasse eine Ermittlung der Kinder, für die das Kindergeld beantragt wird, zu ermöglichen.

Hintergrund

Die Klägerin ist die Mutter von 2 Kindern. Mit E-Mail v. 16.7.2019 schrieb sie unter dem Betreff “Kindergeld”, dass sie seit Mai 2018 kein Kindergeld mehr erhalten habe. Die Gutschrift des Kindergeldes sei letztmals am 9.4.2018 erfolgt.

Die Familienkasse teilte der Klägerin mit, dass die Kinder nicht mehr im Haushalt des bisherigen Kindergeldberechtigten leben würden, daher sei das bisher festgesetzt Kindergeld aufgehoben worden. Da die Kinder nun im Haushalt der Klägerin lebten, sei bis zum 29.8.2019 ein Antrag von ihr zu stellen und ein Nachweis über die Aufnahme der Kinder in den Haushalt der Klägerin zu erbringen.

Nach Ablauf der gesetzten Frist lehnte die Familienkasse den formlosen Antrag auf Kindergeld vom 16.7.2019 ab, da ein formeller Antrag auf amtlich vorgeschriebenen Vordruck bisher nicht eingereicht worden sei.

Die Klägerin trug mit ihrer Klage vor, dass das Gesetz die Stellung eines schriftlichen Antrags nicht vorsehe. Mit ihrer E-Mail v. 16.7.2019 habe sie jedoch einen schriftlichen Antrag gestellt. Eine zwingende Unterzeichnung durch Unterschrift zur Einhaltung der Schriftform sei nicht erforderlich. Es solle lediglich ausgeschlossen werden, dass eine mündliche Antragstellung erfolge.

Entscheidung

Das Finanzgericht hat entschieden, dass die E-Mail der Klägerin v. 16.7.2019 einen wirksamen Antrag auf Gewährung von Kindergeld für die Kinder der Klägerin darstellt. Zwar sei das Kindergeld bei der zuständigen Familienkasse schriftlich zu beantragen. Es entspreche höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass es bei der Stellung des Kindergeldantrags der Verwendung des amtlichen Vordrucks nicht bedürfe.

Aufgrund der E-Mail der Klägerin sei es daher der Familienkasse möglich gewesen, die betreffenden Kinder der Klägerin zu ermitteln und dieser zuzuordnen. Die Familienkasse habe die Namen der Kinder herausgefunden und geschlossen, dass für die Kinder Kindergeld beantragt werden solle. Auch hinsichtlich des Zeitraums habe die Familienkasse den Willen der Klägerin ermittelt, ab wann Kindergeld gezahlt werden solle.

Die fehlende eigenhändige Unterschrift hält das Finanzgericht nach den vorliegenden Umständen für entbehrlich. Das Gesetz verlange nicht, dass ein Kindergeldantrag eigenhändig vom Antragsteller unterschrieben sein müsse. Vielmehr sei auch eine Vertretung des Antragstellers möglich.

Kosten für Pkw-Kastenwagen und Liegefahrrad als außergewöhnliche Belastungen abziehbar?

Die Anschaffung eines Pkw-Kastenwagens, um ein Liegefahrrad, das in der Stadt nicht mehr gefahren werden kann, in das Umland zu transportieren, stellt keine außergewöhnliche Belastung dar. Das gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige aufgrund einer außergewöhnlichen Gehbehinderung auf das Fahrzeug angewiesen ist.

Hintergrund

Die Klägerin leidet seit 25 Jahren an einem schweren Morbus Parkinson Asymmetrisches Bent-Spine-Syndrom mit schwerer rechtsseitiger Spastik, Multipler Sklerose und Osteoporose. Sie machte Aufwendungen für einen Pkw-Kastenwagen (18.250 EUR) und ein Liegefahrrad (6.600 EUR) als außergewöhnliche Belastungen geltend. Das Finanzamt lehnte die Berücksichtigung ab, da die Aufwendungen für Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastungen bereits mit einem pauschalen Kilometersatz von 0,30 EUR für die durch die Behinderung veranlassten Fahrten (3.000 km) und die übrigen Privatfahrten (3.000 km) berücksichtigt wurden. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin weiter die Berücksichtigung der geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen, da die Anschaffung des Liegefahrrads und des Kastenwagens durch ihre schwere Behinderung veranlasst gewesen seien.

Entscheidung

Die Klage vor dem Finanzgericht hatte keinen Erfolg.

Die Kosten für das Liegefahrrad konnten nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden. Die Klägerin hätte einen qualifizierten Nachweis bei der Anschaffung eines Liegefahrrads erbringen müssen, da es sich dabei um ein medizinisches Hilfsmittel, das als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens anzusehen ist, handelte. Das vorgelegte ärztliche Gutachten stellt nach Auffassung des Finanzgerichts keinen qualifizierten Nachweis dar.

Auch die Kosten für den Pkw-Kastenwagen waren nicht abzuziehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist es nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass statt der Pauschsätze für behinderungsbedingte Fahrten (wie im Streitfall vom Finanzamt berücksichtigt) die tatsächlichen Kosten als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden können, wenn der Behinderte wegen seiner Behinderung auf ein besonderes Fahrzeug angewiesen ist, für das überdurchschnittlich hohe Aufwendungen entstanden sind. Da sich die Anschaffungskosten i. H. v. 18.250 EUR jedoch in einer Größenordnung bewegten, die die Klägerin auch für ein anderes Fahrzeug der unteren Mittelklasse hätte aufwenden müssen, können nach Auffassung des Finanzgerichts die tatsächlichen Kosten für den Kastenwagen nicht gesondert als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden.

Leihmutterschaft: in Deutschland gesetzlich verboten und damit kein Kostenabzug

In Deutschland ist eine Leihmutterschaft durch Eizellenspende gesetzlich verboten. Deshalb können Aufwendungen für eine in den USA durchgeführte Leihmutterschaft nicht als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden.

Hintergrund

Die Kläger sind 2 miteinander verheiratete Männer. Sie nahmen die Dienste einer in den USA lebenden Leihmutter in Anspruch. Diese wurde dort in einer Leihmutterklinik künstlich befruchtet, wobei die Eizelle von einer anderen Frau und die Samenzellen von einem der Kläger stammten. Das Kind lebt seit seiner Geburt bei den Klägern in Deutschland.

Die Kläger machten die im Zusammenhang mit der Leihmutterschaft angefallenen Aufwendungen (Agentur-, Reise-, Beratungs- und Untersuchungskosten sowie Kosten für Nahrungsergänzungsmittel zur Steigerung der Fertilität) i. H. v. ca. 13.000 EUR als außergewöhnliche Belastungen geltend. Dies lehnte das Finanzamt ab, weil eine Leihmutterschaft nach dem Embryonenschutzgesetz in Deutschland verboten ist.

Entscheidung

Die Klage hatte keinen Erfolg und wurde vom Finanzgericht abgewiesen. Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung, die aufgrund der Empfängnisunfähigkeit einer Frau oder der Zeugungsunfähigkeit eines Mannes getätigt werden, können als Krankheitskosten und damit als außergewöhnliche Belastungen anerkannt werden.

Erforderlich ist hierbei, dass die künstliche Befruchtung in Übereinstimmung mit dem innerstaatlichen Recht sowie mit den Richtlinien der Berufsordnungen für Ärzte vorgenommen wird. Von der Rechtsprechung anerkannt worden sind derartige Aufwendungen unabhängig davon, ob die künstlich befruchtete Frau in einer gemischt- oder gleichgeschlechtlichen oder in gar keiner Beziehung lebe.

Im vorliegenden Fall scheiterte die Abziehbarkeit allerdings daran, dass die Behandlung nicht nach den Vorschriften des innerstaatlichen Rechts vorgenommen wurde. Nach dem Embryonenschutzgesetz sind eine künstliche Befruchtung mit der Eizelle einer anderen Frau und ein Leihmutterschaftsverhältnis nicht erlaubt.

Wann besteht Anspruch auf Kindergeld für ein erkranktes Kind?

Kann ein volljähriges Kind eine Ausbildung krankheitsbedingt nicht aufnehmen oder fortsetzen, können die Eltern nur dann Kindergeld beanspruchen, wenn das Kind seine Ausbildungswilligkeit noch während der Erkrankung für die Zukunft erklärt.

Hintergrund

Die Tochter der Klägerin musste die Ausbildung im September 2016 wegen einer Erkrankung abbrechen. Sie meldete sich im Januar 2017 bei der Bundesagentur für Arbeit ausbildungssuchend und ging seit dem 1.8.2017 einer Ausbildung nach. Hinsichtlich der Erkrankung der Tochter wurde ein Attest der behandelnden Ärztin vorgelegt, wonach die Tochter der Klägerin in der zweiten Hälfte des Jahres 2016 erkrankt war und deshalb die Schule im September 2016 abbrechen musste.

Die Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung für die Monate Oktober bis Dezember 2016 auf, da die Tochter in diesem Zeitraum weder in Ausbildung noch ausbildungssuchend war. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage.

Entscheidung

Das Finanzgericht wies die Klage als unbegründet zurück. Zwar ist grundsätzlich auch eine Berücksichtigung als Kind ohne Ausbildungsplatz möglich, wenn das Kind aus Krankheitsgründen gehindert ist, einen Ausbildungsplatz zu suchen. Allerdings reicht dann eine allgemeine Ausbildungswilligkeit nicht aus. Vielmehr muss das Ende der Erkrankung absehbar und gleichzeitig erkennbar sein, dass der Wille des Kindes darauf gerichtet ist, sich nach dem – absehbaren – Ende der Erkrankung erneut der Ausbildungsplatzsuche zu widmen.

Außerdem muss das Kind seine Ausbildungswilligkeit noch während der Erkrankung für die Zukunft erklären. Aus der im Januar 2017 begonnenen Ausbildungssuche der Tochter oder von einer zu einem späteren Zeitpunkt abgegebenen Erklärung des Kindes bzw. der von der Ärztin für Ende Dezember bescheinigten Absehbarkeit des Endes der Erkrankung kann nicht auf die Ausbildungswilligkeit des Kindes in den vorhergehenden Monaten geschlossen werden.

Zur Klageerhebung nur durch einen Ehegatten

Eine Klage eines zusammenveranlagten Ehegatten gegen einen Einkommensteuer-Bescheid ist auch dann zulässig, nachdem der Bescheid gegenüber dem anderen Ehegatten bestandskräftig geworden ist und auch die Steuer bereits gezahlt wurde.

Hintergrund

Der Ehemann M erzielte in den Jahren 2013 bis 2016 neben Einkünften aus selbstständiger Arbeit Einkünfte aus Kapitalvermögen. Seine mit ihm zusammen veranlagte Ehefrau F erzielte Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit.

Gegen die Einkommensteuer-Bescheide für die Streitjahre legten beide Eheleute Einspruch ein. Nach Zurückweisung der Einsprüche erhob nur M Klage. Er gab an, die Klage wird nur von ihm geführt, da sie nur seine Einkünfte, nicht die Einkünfte der F betrifft.

Das Finanzgericht wies die Klage als unzulässig ab. Es fehlt sowohl die Klagebefugnis als auch das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis. Denn M kann die begehrte Steuererstattung nicht mehr erreichen, da er selbst bei einem Obsiegen im Klageverfahren als Gesamtschuldner die gegenüber F bestandskräftig festgesetzte höhere Steuer mitschuldet.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück. Die Klagebefugnis und auch das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis können für die Klage des M nicht verneint werden.

Eine Anfechtungsklage ist nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Dies ist regelmäßig zu bejahen, wenn der Kläger, wie hier M, Adressat eines belastenden Verwaltungsakts ist.

Die Klagebefugnis des M entfällt nicht deshalb, weil die gegenüber F ergangenen Einkommensteuer-Festsetzungen bereits bestandskräftig geworden sind und M für die hieraus resultierende Einkommensteuer gesamtschuldnerisch haftet. Denn trotz der Zusammenveranlagung bleiben die Eheleute verfahrensrechtlich selbstständige Rechtssubjekte. Steuerschuldner und Adressat der Einkommensteuer-Festsetzung ist jeder Ehegatte für sich. Ob eine Verletzung eigener Rechte möglich erscheint, beurteilt sich daher allein nach der gegenüber dem jeweiligen Ehegatten – hier M – festgesetzten Einkommensteuer. Es handelt sich dabei um einen verfahrensrechtlich selbständigen Steuerverwaltungsakt.

Zwar entfällt die Klagebefugnis, wenn eine geänderte Einkünfteaufteilung zwischen den Ehegatten keine steuerrechtliche Auswirkung mehr haben kann, weil ein Antrag auf Aufteilung der Steuerschuld wegen vollständiger Tilgung der rückständigen Steuer nicht mehr in Betracht kommt. Daraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass die Klagebefugnis des allein gegen den Einkommensteuer-Bescheid klagenden Ehegatten auch dann fehlt, wenn er eine Verminderung der ihm gegenüber festgesetzten Einkommensteuer begehrt und dies damit begründet, dass seine eigenen Einkünfte zu hoch angesetzt worden seien.

Ein Rechtsschutzbedürfnis liegt bereits dann vor, wenn ein rechtlicher Vorteil in Gestalt eines Steuererstattungsanspruchs nicht von vornherein zu verneinen ist. Das ist hier der Fall. M muss, um die begehrte Einkommensteuer-Erstattung zu erreichen, den Einkommensteuer-Bescheid anfechten. Über die Frage, ob das Finanzamt im Erhebungsverfahren die Auszahlung eines Guthabens an M verweigern könnte, weil einem Erstattungsanspruch ein aus der bestandskräftigen Einkommensteuer-Festsetzung der F resultierender Haftungsanspruch entgegengehalten werden könnte, wäre sodann im Rahmen eines Abrechnungsbescheids zu entscheiden. Das Gleiche gilt für die Frage, ob bei einem Obsiegen des M seine mit ihm zusammen veranlagte Ehefrau eine Anpassung des an sie gerichteten, bereits bestandskräftigen Einkommensteuer-Bescheids wegen rückwirkenden Ereignisses verlangen könnte, weil in einem solchen Fall dieser Einkommensteuer-Bescheid ebenfalls nicht als Rechtsgrund für das Behaltendürfen überzahlter Steuern herangezogen werden könnte.

Steuerrecht Unternehmer

Ist die Höhe der Säumniszuschläge angemessen?

Das Bundesverfassungsgericht hat die Vollverzinsung für unzulässig erklärt, sodass ab 2019 keine Zinsen mehr erhoben werden dürfen. Vor diesem Hintergrund hält das Finanzgericht Münster auch die Höhe der Säumniszuschläge seit 2019 für verfassungsrechtlich bedenklich.

Hintergrund

Antragstellerin war eine GmbH. Sie erwarb im Jahr 2019 ein Grundstück. Die für den Erwerb fällige Grunderwerbsteuer zahlte die Antragstellerin verspätet, sodass das Finanzamt Säumniszuschläge festsetzte. Gegen den Abrechnungsbescheid legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Das Finanzamt lehnte beides ab. Daraufhin wandte sich die Antragstellerin an das Finanzgericht und machte Bedenken wegen der Verfassungsmäßigkeit der Säumniszuschläge geltend. Hierbei berief sie sich insbesondere auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit von Zinsen.

Entscheidung

Das Finanzgericht gab dem Antrag statt und gewährte die Aussetzung der Vollziehung. Die für eine Aussetzung erforderlichen ernstlichen Zweifel liegen vor, wenn bei der Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts auch gewichtige Gründe gegen eine Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts sprechen. Nach diesen Maßstäben war hier die Aussetzung der Vollziehung zu gewähren. Die Säumniszuschläge sind zum einen Druckmittel, zum anderen beinhalten sie aber auch einen Zinsanteil. Hinsichtlich dieses Zinsanteils hat der Bundesfinanzhof bereits in der Vergangenheit verfassungsrechtliche Bedenken geäußert.

Nach Auffassung des Finanzgerichts ist eine Aufsplittung von Säumniszuschlägen in einen verfassungswidrigen und verfassungsrechtlich unbedenklichen Teil nicht möglich. Es kann stattdessen nur darüber entschieden werden, ob die Höhe der Säumniszuschläge insgesamt zulässig ist oder nicht. Da “teilweise” Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der Säumniszuschläge fraglos bestehen, hat eine Aussetzung der Vollziehung in voller Höhe zu erfolgen.

Minderjährige Kinder als stille Beteiligte: Was beim Vertragsschluss beachtet werden muss

Werden minderjähriger Kinder als stille Gesellschafter einer Arztpraxis beteiligt, kann diese als Innengesellschaft bürgerlichen Rechts steuerlich anerkannt werden. Das gilt auch dann, wenn die Beteiligung oder die zum Erwerb der Beteiligung aufzuwendenden Mittel den Kindern unentgeltlich zugewendet worden sind.

Hintergrund

Z räumte seinen 3 minderjährigen Kindern mit notarieller Erklärung jeweils schenkungsweise eine stille Beteiligung i. H. v. 50.000 EUR an seiner Zahnarztpraxis ein. Für die Kinder war ein Ergänzungspfleger bestellt worden.

Die Einräumung der stillen Beteiligung erfolgte im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Gegenleistungen waren nicht zu erbringen. Den Gesellschaftern stand ein Kontrollrecht zu, soweit dies mit der ärztlichen Schweigepflicht des Z vereinbar war. Die Geschäftsführung lag ausschließlich bei Z. Jeder stille Gesellschafter war mit 10 % am Gewinn beteiligt, höchstens aber mit 15 % der Einlage (= 7.500 EUR). Am Verlust sollte der Gesellschafter ebenfalls mit 10 %, höchstens mit seiner Einlage, beteiligt sein.

Im Zusammenhang mit der Schenkung bzw. Gründung der Gesellschaften erfolgten keine tatsächlichen Zahlungen in das Betriebsvermögen des Z. Z zahlte jährlich Gewinnbeteiligungen in Höhe von jeweils 7.500 EUR (gesamt 22.500 EUR) auf Bankkonten seiner Kinder, über die er selbst und die Mutter der Kinder Verfügungsmacht besaßen.

Das Finanzamt und ihm folgend das Finanzgericht lehnten den Betriebsausgabenabzug ab, da es sich um Privataufwendungen handelte.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück, da dieses nicht alle entscheidungserheblichen Aspekte des Streitfalls ermittelt und seiner Überzeugungsbildung zugrunde gelegt hat.

Mangels Betriebs eines Handelsgewerbes hat Z zivilrechtlich wirksam je eine Innengesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet, auf die die Grundsätze für die Anerkennung einer stillen Gesellschaft entsprechend anwendbar sind.

Die steuerliche Anerkennung setzt voraus, dass die Vereinbarung zivilrechtlich wirksam ist, inhaltlich dem unter fremden Dritten Üblichen entspricht und auch wie unter Dritten vollzogen wird.

Gesellschaftsverträge zwischen nahen Angehörigen können auch dann anerkannt werden, wenn die Beteiligung oder die zum Erwerb der Beteiligung aufzuwendenden Mittel dem in die Gesellschaft aufgenommenen Angehörigen unentgeltlich zugewendet worden sind, vorausgesetzt, die vorgenannten allgemeinen Bedingungen (zivilrechtliche Wirksamkeit, Fremdüblichkeit, Durchführung) sind erfüllt.

Verträge zwischen Eltern und Kindern über eine Innengesellschaft entsprechen dem inhaltlichen Fremdvergleich, wenn dem Kind wenigstens annäherungsweise die Rechte eingeräumt werden, die einem stillen Gesellschafter typischerweise zukommen. Einschränkungen dieser Rechte, insbesondere hinsichtlich der Gewinnauszahlung, der Kontroll- und Informationsrechte, der Kündigungsmöglichkeiten sowie Widerrufs- oder Rückfallklauseln können zur Nichtanerkennung führen.

Hier sind insbesondere die Einlagebestimmungen, die Gewinnbeteiligungsregelungen und die Informations-/Kontrollrechte von Bedeutung.

Von diesen Grundsätzen ausgehend sind die Gesellschaftsverträge zwar zivilrechtlich wirksam. Bei der Fremdüblichkeit hat das Finanzgericht nicht die Informations-/Kontrollrechte der Kinder geprüft. Auch hat es sich nicht mit weiteren Punkten befasst wie Laufzeit, Kündigungsmöglichkeiten, Versterben eines Beteiligten, Inhaberwechsel, Auseinandersetzung nach Auflösung und Widerrufsmöglichkeiten des Z.

Auch die Feststellungen zur Vertragsdurchführung sind nicht ausreichend. Unklarheiten bestehen über die Auszahlung der Gewinnbeteiligungen, die Ausübung der Informations-/Kontrollrechte, die Verfügbarkeit der Gewinnbeteiligungen für die Gesellschafter. Diese würde fehlen, wenn Z das Guthaben nicht wie fremdes, sondern wie eigenes Vermögen behandelte.